Zugabe • KleinstKunst Mein erstes KleinstKunstProgramm entstand aus einer Laune heraus. “Du traust dich ja nicht”, sagte jemand und ich war so leichtsinnig, dem zu widersprechen. Solange der Termin noch weit ist, erträgt sich das leicht. Aber je näher er rückt... Ich hatte keinerlei Bühnenerfahrung, hatte noch nie vor Publikum gestanden und selbst in vertrauten Kreisen lieber andere mit meinen Texten vorgeschickt. Je näher der angekündigte Tag rückte, umso mehr tröstete mich der Gedanke, dass ja sowieso niemand käme – außer der kleinen Zahl von Freunden, mit denen ich dann ein Glas getrunken hätte, bevor wir geordnet wieder auseinander hätten gehen können. Es kam anders. Wir konnten erst mit Verspätung anfangen, weil nachbestuhlt werden musste und schließlich auch noch der Nebensaal gebraucht wurde. Walter G. Wiener begleitete meinen Schlichtgesang am Piano und dirigierte den ad hoc gegründeten Chor “Ars Cantandi ‘92” (den Namen hatte ich mit Hilfe eines Voll-Lateiners, des katholischen Pfarrers von Differten (Herbert Günther) konstruiert. Mein freundschaftlich verbundener Kollege Thomas Klein machte eine Serie Fotos, die z.Z. leider verschollen sind, auch das, auf dem ich beim Ausdruckstanz mit erhobenen Armen das mit offenbar reichlich produziertem Achselschweiß durchnässte Hemd präsentierte. Übrigens: Die “Vorherkiste” nutzte ich dazu, den Versammelten klarzumachen, dass KleinstKunst eine gesetzlich anerkannte und geregelte Kunstform ist. Der kurze Vortrag wurde mit großem Erstaunen aufgenommen, weil bisher noch niemand davon gehört hatte. Für mich war dieser Informationsteil auch wichtig, weil ich mich zu dieser Zeit vermittels eines Fernstudiums auf die Mitarbeit in der Erwachsenenbildung vorbereitete und die Evangelische Akademie im Saarland als Mitveranstalter eingebunden war. KleinstKunst - was ist das eigentlich?   *) *) Anführungszeichen vom Verfasser Als ich mich erstmals mit dem Thema KleinstKunst befaßte, wußte ich nicht, worauf ich mich da eingelassen hatte. Da es sich bei KleinstKunst um ein in der breiten Öffentlichkeit noch wenig bekanntes (oder, wenn bekannt, dann eher gering geachtetes) Teilgebiet der sog. "Minderkunst" handelt, ist praktisch keine brauchbare Fachliteratur erhältlich. Lediglich die in der "Loseblattsammlung Saarländisches Kunstrecht" enthaltenen Gesetzes- und Verordnungstexte und ein in der Schriftenreihe des Kultusministeriums erschienener Kurzkommentar stehen zur Verfügung. Aufgrund der Kulturhoheit der Bundesländer gilt bei uns auch in diesem Falle saarländisches Landesrecht. Es ist zumindest vorerst nicht damit zu rechnen, daß eine EG-weite Vereinheitlichung bevorsteht. KleinstKunst im vom Gesetz gezogenen Rahmen birgt also über die persönliche Komponente hinaus auch eine Möglichkeit zu lokaler und regionaler Identitätsfindung und -bewahrung. Lassen wir nun aber das Gesetz und Rechtskundige zu dieser komplizierten Materie zu Wort kommen (Anführungszeichen vom Verfasser). Die Begriffsdefinition der "Saarländische[n] Verordnung über Gestaltung und öffentliche Ausübung kleinster Kunstformen und artverwandter kleiner Erscheinungsformen der Kleinkunst" [KlstKuVO Saar] in der derzeit gültigen Fassung beschreibt es so: "(§2 Abs.3) Die berechtigte Führung der Bezeichnung 'KleinstKunst' bei der Behandlung oder Durchführung von Kunstmaßnahmen setzt voraus, daß es sich bei der ausgeübten Kunst um eine Kunstform handelt, deren Kleinheit die Kleinheit der als 'Kleinkunst' bezeichneten Kunst untersteigt." ... "(§4 Abs.1) Ausübende von KleinstKunst (KleinstKunstAusübende) führen bei der Ausübung von 'KleinstKunst' im Dienst die Bezeichnung 'KleinstKünstler'. (§4 Abs.2)  Die Befugnis zur Erweiterung der Bezeichnung 'KleinstKünstler' zu 'KleinstKünstlerin' steht in Ansehung des Geschlechtes ausschließlich weiblichen Frauenspersonen zu. Die einmal getroffene Wahl ist ziemlich bindend. (§4 Abs.3) Die gewählte Bezeichnung darf auch außerdienstlich geführt werden, wenn in 'kleinstkünstlerischer' Hinsicht dienstliche Belange betroffen sind." ... "(§5 Abs.2) Die Bezeichnung 'KleinstKunst' darf auch in Anwendung gebracht werden, wenn die 'KleinstKunst' betreffende Obliegenheiten zur Durchführung gelangen. Wer die Bezeichnung 'KleinstKunst' zur Verwendung beansprucht, ohne 'KleinstKünstlerin' oder 'KleinstKünstler' zu sein, führt die Bezeichnung 'KleinstKunstBezeichner~' oder, falls es sich um eine weibliche Frauensperson handelt, 'KleinstKunstBezeichnerin'." ... "(§7 Abs.1) Wer sich als Rezipient der Ausübung von 'KleinstKunst' aussetzt, ohne 'KleinstKünstlerin' oder 'KleinstKünstler' zu sein, führt die Bezeichnung 'KleinstKunstNutzer' bzw. 'KleinstKunstNutzerin'. Mit Zustimmung der 'KleinstKunstAufsicht' ist befristet die Führung der Bezeichnung 'BeKleinstKunstete' bzw. 'BeKleinstKunsteter' erlaubt." Der Kommentar von Keller/Paulus sagt hierzu (2.Aufl. 1991): "... Die Einstufung als 'KleinstKunst' setzt nicht notwendig eine Unterschreitungspflicht hinsichtlich jedes denkbaren Niveaus voraus. Es ist bereits ausreichend, wenn im Urteil des billig und gerecht denkenden und mit der Materie einigermaßen vertrauten Durchschnittsbürgers das Vorhandensein einer Formausprägung der Kleinkunst vermutet werden kann, die, wenn sie tatsächlich vorhanden wäre, größer als die Kleinkunst ausfiele, für die die Bezeichnung 'KleinstKunst' beansprucht wird. Eine Nachweispflicht des 'KleinstKünstlers' / der 'KleinstKünstlerin' ist aus der Verordnung nicht herzuleiten. Bis zu einer entsprechenden (derzeit nicht vorgesehenen) Konkretisierung entscheidet daher über die Verwendung der Bezeichnung 'KleinstKunst' der betroffene Personenkreis nach pflichtgemäßem Ermessen. Im Außenverhältnis gilt der Beweis des ersten Anscheins.Der Gegenbeweis ist grundsätzlich möglich, in der Praxis aber mit vielerlei Unwägbarkeiten behaftet." Was das in der Praxis bedeutet, sollen Sie nun am eigenen Leib erfahren, als KleinstKunstNutzerinnen und KleinstKunstNutzer oder, wenn Sie so wollen und die Genehmigung der KleinstKunstAufsicht einholen, als BeKleinstKunstete. Ich bitte um Ihre kundige Aufmerksamkeit.